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SPD Köpenick-Nord

"Das Schreckliche kündigt sich im Harmlosen an"

Geschichte

Am traditionellen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, gedachte ich zusammen mit dem Vorsteher der BVV, zahlreichen Bezirksverordneten und engagierten Bürgerinnen und Bürger am Platz des 23. April in Köpenick sowie an der ehemaligen Synagoge in der Freiheit an die Zeit des Nationalsozialismus.

Das Schreckliche kündigt sich im Harmlosen an. Als am 9. Dezember 1932 der Reichstag zu seiner letzten Sitzung in dem Jahr zusammentrat, endete der Debattentag mit einer Diskussion darüber, wann der Reichstag aufgrund der vielen zu beratenden Themen und Probleme erneut zusammentreffen sollte. Der Antrag, gleich am Montag darauf weiterzutagen, wurde von der Mehrheit des Hauses abgelehnt. In diese Debatte hinein stellte der Berliner Reichstagsabgeordnete Karl Litke die Frage, wie denn künftig mit den Beurlaubungsanträgen erkrankter Reichstagsabgeordneter umgegangen werde: ob weiterhin der Reichstagspräsident diese Urlaube erteile oder ob diese "in Zukunft von Herrn Adolf Hitler erteilt werden". Lebhafte Zurufe vermerkt daraufhin das Protokoll. In der Tat stellte sich die Frage der krankheitsbedingten Urlaube in der nächsten Sitzung des Reichstages auf ganz andere Weise. Der Reichstag trat erst wieder nach den Wahlen am 21. März 1933 erstmals zusammen. Die Welt hatte sich bis dahin deutlich verändert. Aberkannte Mandate von Abgeordneten, "Schutzhaft" - das waren die ersten Schritte der Herrschaft Hitlers im Reichstag. Und so eröffnete der Reichstag an diesem Tag unmittelbar nach der Konstituierung mit einem Antrag auf Haftentlassung mehrerer Reichstagsabgeordneter, die verhaftet worden waren. Diese verhafteten Abgeordneten können symbolhaft für die kommende Zeit stehen. Zwar überlebten nahezu alle diese Abgeordneten die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg - doch einer starb bereits kaum ein Jahr später. Es handelte sich um einen jüdischen Reichstagsabgeordneten, der 1934 im KZ Kislau erdrosselt wurde. Andere Abgeordnete konnten flüchten, gingen ins Exil und retteten so ihr Leben. Diese "Schutzhäftlinge" sind die Vorboten der Schicksale der kommenden Zeit.
In den folgenden Jahren werden systematisch Andersdenkende und Anders-Seiende verfolgt und getötet: ob nun wegen ihrer Religion, Homosexualität, Behinderung oder politischen Auffassung. Sie alle und noch mehr sollten vernichtet werden. Am Ende standen millionenfache grausame Misshandlungen und Tötungen in ganz Europa. Ein frühes erschütterndes Beispiel ist die Köpenicker Blutwoche im Juni 1933, in der die SA ihr tödliches Unwesen in unserem Bezirk trieb. Auch daran muss in diesem Gedenkjahr erinnert werden. Wir werden an die Ereignisse von 1933 und 1938, aber auch das Kriegsende 1945 erinnern.
Wenn sich das Schreckliche im Harmlosen ankündigt, dann müssen wir auch heute aufmerksam sein - bei rechtsextremen Umtrieben, die zu beobachten sind. Auch heute müssen demokratisch gewählte Kommunalpolitiker - ob Linke oder Sozialdemokraten - sich fürchten, wenn sie sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen. Die Anschläge auf Hausbriefkästen und andere Bedrohungen im vergangenen Jahr haben das ganz deutlich gezeigt. Es gilt in diesem Jahr den Bogen zu schlagen: zwischen der Erinnerung an das Schrecken des Nationalsozialismus, aber auch mit der Erinnerung an die Mutigen, die Widerspruch und Widerstand geleistet haben. Sie sind für uns der Ansporn auch in der Gegenwart gegen rechte Umtriebe zu kämpfen.

 

Homepage Oliver Igel

 
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